Airbag Helm: Der Hövding 3 für Radfahrer im stern-Check

Kopfschutz
Sicher ohne Helm: Der Hövding 3 Airbag für Radfahrer im stern-Check

Hövding 3 mit Zubehör auf einem roten Tisch

Für wen eignet sich der Hövding 3 Airbag? Wie fühlt sich der 800 Gramm schwere Kragen beim Radfahren an? Die Helm-Alternative aus Schweden im stern-Check.

© stern.de / Jan Sägert

Helm-Muffel und Hipster aufgepasst! Zwei schlaue Köpfchen aus Schweden haben vor einigen Jahren eine Frisur freundliche und optisch attraktive Alternative für den klassischen Fahrradhelm ertüftelt. Der Hövding 3 im stern-Check.

Eines vorab: Auf unserer Testfahrt mit dem Hövding 3 haben wir weder Kopf noch Kragen riskiert. Dass der Häuptling (schwedisch: Hövding) im Falle eines Unfalls blitzschnell und zuverlässig auslöst, belegen unter anderem Testreihen des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC). Deshalb haben wir uns vorrangig mit dem Komfort, der Haptik und den modischen Accessoires beschäftigt, mit der die dritte Generation des Hövding (seit November 2019 erhältlich) optisch aufgewertet werden kann.

Hövding 3 Airbag-Kragen: Idee und Funktionsweise

Bevor wir uns den Hövding 3 genauer anschauen, einige Gedanken zur Idee. Zwei Studentinnen aus dem schwedischen Malmö fanden 2006 offenbar keinen Fahrradhelm, der ihren ästhetischen Ansprüchen genügte. Oder sie wollten sich schlicht ihre Frisuren nicht ruinieren. Jedenfalls suchten die beiden im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Universität Lund nach einem alternativen (und unsichtbaren) Schutz für den Kopf von Radfahrer:innen. Sechs Jahre tüftelten die Industriedesignerinnen Terese Alstin und Anna Haupt. Heraus kam eine Art Kragen, der wie ein Schal um den Hals gelegt und unter dem Kinn per Reißverschluss geschlossen wird. Herzstück des Hövding 1 war ein Modul, das im Nacken saß (und noch heute sitzt). Die darin versteckte Gaskartusche soll einem bestimmten Algorithmus folgend ausgelöst und innerhalb einer Zehntelsekunde den Airbag öffnen. Der legt sich dann wie eine Schutzhaube um den gesamten Kopf und verhindert den harten Aufprall mit dem Schädel. Eingebaute Sensoren überwachen und registrieren die Bewegungen des “Häuptlings”, sobald er aktiviert wurde (dazu später mehr). Eine KI analysiert und interpretiert die gemeldeten Bewegungsmuster und Positionsänderungen. Erkennt dieser Algorithmus eine Gefahrensituation, bläst er reflexartig den Airbag auf.

Wichtiger Hinweis: Einmal aufgepustet ist der Hövding zu nichts mehr zu gebrauchen. Dafür hat er mutmaßlich eine schwere Kopfverletzung verhindert. 

Unboxing: Der erste Eindruck

Aus dem Karton fallen neben dem Hövding, ein USB-C-Ladekabel und ein schwarzes Cover, das über den Hövding gestülpt wird. Dazu gibts eine kompakte Bedienungsanleitung und ein etwas ausführlicheres Manual. Der Hövding Airbag hat ein amtliches Gewicht. 810 Gramm bringt der unsichtbare Helm auf die Waage. Inklusive Cover legt man sich gut 860 Gramm um den Hals. Das ist etwa das Dreifache eines klassischen Fahrradhelms. Den Löwenanteil davon dürfte die in einer schwarzen Kunststoffbox verstecke Gaskartusche übernehmen. An der Unterseite dieser Box hat Hövding neben der USB-C Ladebuchse eine LED samt Kontrollknöpfchen versteckt, um den Ladezustand überprüfen zu können.

Ebenfalls auffällig: das in der dritten Generation erstmals verbaute Boa-Fit-System. Mit dem auch von Sportschuhen und Skihelmen bekannten Drehverschluss kann der Hövding bequem an die Kragenweite angepasst werden. Schlau: Die Kennzahlen zu Hals- und Kopfumfang wurden auf kleinen, an der Innenseite aufgenähten Stickern vermerkt. Dort findet man auch die Seriennummer des Produkts. Dazu weisen Skizzen auf die wichtigsten Handgriffe vor, beim und nach dem Aufsteigen aufs Bike hin. Nützlich: der mit Bügeln gekennzeichnete Aufhänger, mit dem der Hövding platzsparend und stets griffbereit verstaut werden kann.

Alles in allem gibt es äußerlich nichts zu beanstanden. Der Hövding ist akkurat verarbeitet. Bei dem Invest, das dafür nötig ist, muss man das allerdings auch erwarten.

Der Check

Wie anfangs erwähnt, haben wir darauf verzichtet, mit dem Hövding 3 den Ernstfall zu testen. Unabhängige Crashtests legen nahe, dass der Airbag für Radfahrer zuverlässig auslöst, wenn Gefahr im Verzug ist. Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass Fälle bekannt sind, in denen sich der Algorithmus des Hövding täuschen ließ und den Airbag aktivierte, obwohl kein Crash vorlag.

Doch zurück zu unserem Check. Der begann mit einer ersten Anprobe. Hier kann man nicht viel falsch machen. Der kurze Reißverschluss unter dem Kinn ist etwas gewöhnungsbedürftig. Nach einigen Versuchen lässt er sich aber selbst mit geschlossenen Augen in wenigen Sekunden schließen. Doch wie passt man den Hövding nun an Hals- und Kopfumfang an? Reißverschluss wieder auf und Fokus auf den Boa-Verschluss an der Innenseite. Der wird auf neutral gestellt, indem man den Drehknopf nach oben zieht. Fürs Einstellen drückt man ihn nach unten und dreht das Rädchen von einem stetigen Klicken begleitet im Uhrzeigersinn straff. Das funktionierte im Test problemlos. Die beiden Enden des Hövding nähern sich mit jeder Raste etwas an. In unseren Fall genügten zweieinhalb Umdrehungen, um den Airbag korrekt einzustellen. Tipp: Idealerweise passen noch zwei Fingerbreit zwischen Hals und Reißverschluss. Fertig. Fast jedenfalls.

Hövding 3: stern-Redakteur Jan Sägert trägt den Airbag für Radfahrer

© stern.de / Jan Sägert

Bevor der Hövding aktiviert wird und die Tour starten kann, bekommt der Airbag ein Cover übergestülpt. Dieser waschbare Überzug erfüllt zwei Funktionen. Zum einen schützt er die Technik gegen Schweiß und bei Regen. Mindestens genauso wichtig dürfte für einige aber der ästhetische Aspekt sein. Denn ohne Cover macht der Hövding optisch nicht viel her. Aktuell sind neben dem schwarzen Standard-Überzug vier weitere einfarbige Designs erhältlich. Dazu gibts eins in Leoparden-Optik und eins mit dem Print “Airbag inside”. Geschmacksache. Das Einkleiden selbst ist nichts für Grobmotoriker. Da es nicht allzu viele Möglichkeiten gibt, fanden auch wir schließlich für beide Reißverschlüsse das passende Gegenstück. Und eingepackt geht der Hövding locker als modischen Accessoire durch. Um den Airbag zu aktivieren, also die permanente Bewegungsanalyse zu starten, muss der mit einer gelben Lasche markierte Riemen geschlossen werden. Ein kurzes akustisches Signal kann als Startschuss betrachtet werden. Eine grün blinkende LED bestätigt die korrekte Verbindung. Und los geht’s.

Hövding 3: Der Hövding Airbag mit geöffneter Sicherheitslasche

Der wichtigste Verschluss am Hövding 3: Die Lasche muss mit dem Gegenstück (links) verbunden sein, um den Algorithmus zu aktivieren, der die Bewegungen beim Radfahren aufzeichnet.

© stern.de / Jan Sägert

Auf der kaum 15 Kilometer langen Probefahrt durch Hamburg wird schnell klar, warum Hövding seinen unsichtbaren Helm vor allem “urban cyclists” an Herz (und um den Hals) legt. Denn die Sitzposition ist beim Hövding ganz entscheidend für den Komfort. Gemütliches Cruisen mit dem Hollandrad durch die City, mit Stadtrad zum Biergarten, ein entspannter Tagesausflug mit dem E-Bike an den See. So lange man mit geradem Rücken auf dem Bike sitzt, passt sich der Airbag perfekt an. Ist das Setup etwas sportlicher, wie etwa auf einem Rennrad oder Gravelbike, wird es unbequem. Sobald der Kopf beim Fahren etwas in den Nacken geht, spürt man die schwarze Box an der Halswirbelsäule. Auf die Dauer ist das unangenehm. Kurzum: Radsportler, Triathleten und Gravel-Biker werden in Training und Wettkampf weiter auf klassische Fahrradhelme zurückgreifen müssen. Und zwar nicht nur aus Gründen des Komforts. Denn vor allem beim Bike in unwegsamem Gelände stößt der Hövding an seine Grenzen. Zu unterscheiden, ob der Träger auf einem Trail über Wurzeln springt oder tatsächlich in eine brenzlige Situation gerät, ist für die eingebaute KI nicht möglich. Auch deshalb ist der Hövding 3 zwar für Rennradfahren und Mountainbiking zugelassen, wird von den Schweden aber explizit fürs Radfahren in Städten empfohlen. 

Hövding-App für Notfallkontakt und Ersatz

Via Bluetooth verbindet sich der Hövding dank dazugehöriger App mit dem Smartphone (iOs und Android). Darin kann unter anderem ein Notfallkontakt hinterlegt werden, der informiert wird, sobald der Hövding den Airbag auslöst. Je nach Einstellungen lassen sich sämtliche Touren aufzeichnen. Spannend: Die App spuckt alle Fahrten aus, die seit der Einführung des Hövding 3 mit dem Airbag absolviert wurden. Am 15. September 2023 waren das demnach etwa 3 Millionen mit 13,4 Millionen zurückgelegten Kilometern. Laut Hövding entspricht das einer CO2-Ersparnis von mehr als 2000 Tonnen im Vergleich zur selben Distanz mit dem Auto.

Fazit

Ob der Hövding acht Mal sicherer ist als ein klassischer Fahrradhelm (so schreiben es die Schweden auf ihrer Website) ist schwer zu belegen. Fakt ist: Der unsichtbare Airbag für Radfahrer ist eine gute Alternative für jene, die sich mit Helm auf dem Kopf nicht wohlfühlen, sich aber “obenrum” nicht ungeschützt in den Straßenverkehr stürzen wollen. Der Hövding 3 ist flexibel für beinahe jede Kopf- und Kragenweite geeignet, binnen Minuten aktiviert und schnell einsatzbereit. Gewicht und Gefühl am Hals und im Nacken sind aus unserer Sicht allerdings gewöhnungsbedürftig. Knapp 350 Euro ruft Hövding für seinen Airbag für Radfahrer auf. Das ist sportlich. Fair: Im Falle eines Crashs legt der Hersteller für den Kauf eines neuen Hövding 100 Euro dazu.

Quellen: Handelsblatt, ADAC

Das könnte Sie auch interessieren:

Dieser Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links. Mehr Informationen dazu gibt es hier.

Transparenzhinweis: Der Hövding 3 wurde dem stern vom Hersteller zum Testen zur Verfügung gestellt.

#Airbag #Helm #Der #Hövding #für #Radfahrer #sternCheck
More From Shayari.Page

Leave a Comment