„Es gibt nur ein Rudi Völler“

Ja klar, Deutschlands Fußballer, angeleitet von Rudi Völler, besiegen relativ wenig wehrhafte Franzosen 2:1, und gefeiert werden danach weniger die Torschützen Thomas Müller und Leroy Sané, sondern: Rudi Völler. Das war bei einem solchen Ergebnis, noch dazu nach einer Vorstellung, die nach einer halben Ewigkeit mal wieder nach Mannschaftssport aussah, nicht anders zu erwarten gewesen. Die Leuten sangen „Ein Rudi Völler, es gibt nur ein Rudi Völler“. Rudi Völler saß da unten auf seiner Bank und dachte sich dabei, es müsste zwei Rudi Völler geben, dann könnte das funktionieren.

Kaum war die Partie abgepfiffen worden, jubelte „Bild“ vorhersehbar: „Deutschland im Rudi-Rausch.“ Und natürlich wurden kurz vor Mitternacht in der Pressekonferenz drängende Fragen an Völler gestellt. Der allerdings wirkte nicht so wie jemand, der noch einmal umfallen könnte. Sondern wie einer, der die Grenzen seiner Kräfte gut einzuschätzen weiß. Er ist nicht mehr der 40 Jahre alte Bursche, der sich im Jahr 2000 breitschlagen ließ, in der Not als Teamchef einzuspringen. Er ist jetzt 63, und er hat durchblicken lassen, dass er die vergangenen Tage als extrem beanspruchend empfunden hat.

Rudi Völler muss mit seiner Gesundheit haushalten

Im Januar verpasste Völler das 0:2 gegen Kolumbien in Gelsenkirchen wegen einer Nierenkolik. Wer ihn zuletzt aus der Nähe beobachten konnte, begegnete einem Mann, dem der Schweiß aus allen Poren lief. Völler sah nach Länderspielen zuletzt so aus, als hätte er nicht auf den weichsten Sitzen der Tribüne gehockt, sondern wäre, wie einst unverdrossen, 90 Minuten plus Nachspielzeit auf dem Platz unterwegs gewesen. Gesund ist das sicher nicht. Kein Wunder, dass das Kind der Bundesliga am Mittwoch seine Teilnahme an der großen Gala zum 60. Jubiläum der Bundesliga in Berlin kurzfristig abgesagt hat. Aus Gründen des Kräftehaushalts. Und wahrscheinlich auch, weil er sich davor schützen will, von den vielen alten Weggefährten zu etwas überredet zu werden, das er gar nicht machen will.

Anzeige | Zum Weiterlesen scrollen

Denn natürlich wäre ein „Rudi Nationale“ nicht nur dank seiner beispiellosen Popularität mit Blick auf die Europameisterschaft ein Fußballvolkstribun, der vieles, das unter Hansi Flick schiefgelaufen ist, richten könnte. Das psychologische Moment ist für eine solche Veranstaltung, die einem gerade ziemlich freudlos daherkommenden Land bestenfalls wieder ein wenig gesellschaftlichen Klebstoff verabreichen könnte, wahrlich nicht zu unterschätzen.

Zudem hat Völler mit seinen beiden Assistenten Hannes Wolf und Sandro Wagner – die er beide nicht vergaß, ausgiebig für ihr Engagement und ihre Fachkunde zu loben – ein paar Stellschrauben geölt, die zuletzt festgefahren fahren. Er übertrug schlicht Verantwortung an die Spieler. Er hat es im Zeitraffer geschafft, den internen Fokus weg vom überforderten, gramen Trainer (der Flick schon seit Monaten ja offenkundig war, was die DFB-Oberen inklusive Völler selbst aber partout nicht wahrhaben wollten) hin zur Mannschaft zu lenken.

Ein neuer Bundestrainer wird es nun ein bisschen schwerer haben

In der einfachen Fußballersprache des vergangenen Jahrtausends ließ er die Spieler wissen, dass sie besser nicht naiv in Konter laufen sollten, dass einer für den anderen da zu sein hat, dass sie lange Wege gehen müssen, wenn sie gewinnen wollen und dass Glück nur der Tüchtige hat. Vieles von dem mag sich abgedroschen anhören. Es ist aber das klassische, unverstellte Rudi-Völler-Vokabular, dass auch die nächste Spielergeneration noch problemlos kapiert.

Aktuell ist die bisweilen schwer erträglich freudlose Aura ums DFB-Team zumindest Erleichterung gewichen. Die ausdruckslosen Gesichter, mit denen Niederlagen wie ein unabwendbares Naturereignis hingenommen wurden, sind in Dortmund durch einen lange nicht erlebbaren Gemeinschaftssinn ersetzt worden. Rudi Völler hat das gut gemacht, aber man sollte ihn jetzt in seiner Gutmütigkeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Wahr ist aber auch: Ein neuer, frischer Bundestrainer wird es nun ein bisschen schwerer haben. Er wird jetzt auch mit Rudi Völler verglichen, nicht mehr nur mit Hansi Flick.

#gibt #nur #ein #Rudi #Völler
More From Shayari.Page

Leave a Comment