Harmsens Welt – Bizarres aus dem Elfenbeinturm: Wenn Wissenschaftler kräftig danebenhauen

„Ick gloobe, wir überschätzen die Wissenschaftler“, sagt mein innerer Berliner. „Kannste dir noch erinnern: Im Haus deines Opas wohnte unten een Professa, hatte die janze Etage. Immer hieß es: Herr Profassa hinten, Herr Professa vorn. Seine Frau war Hausfrau, aber jeder nannte se ‚Frau Professa‘. Als ob die jöttliche Weisheit ihres Jatten uff sie abgefärbt hätte. Dabei machen solche Wissenschafts-Fritzen ooch viel Mist, jenau wie jeda andere. Bei manchem frachste dir, wat die übahaupt so im Koppe ham.“

Den Anlass für das Gemecker meines inneren Berliners bildete eine Meldung über einen Berliner Juraprofessor (der Name ist hier nicht so wichtig), der gerade in einem Tweet darüber nachgedacht hat, dass doch der Liter Sprit am besten „100 Euro oder mehr“ kosten sollte. Erst dann würden „unsere lieben Mitbürger:innen anfangen, langsam darüber nachzudenken, ob es auch mal ohne Auto geht“.

So grandios klimarevolutionär das auch klingen mag – es zeugt nicht davon, dass der Mann in die Lebensrealität sehr vieler Leute reingeschnuppert hat. Zum Beispiel von denen, die in Gegenden mit sträflich ausgedünntem Nahverkehr wohnen und täglich zur Arbeit pendeln müssen. Und man fragt sich auch, ob der Mann in letzter Zeit mal mit der Deutschen Bahn gefahren ist – nur so, als Abenteuertrip.

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Das Internet wird kein Massenmedium und soziale Netzwerke sind out!

Die Antworten der Leute kamen prompt: „Typische Entgleisung im Elfenbeinturm“ – „Mit solch irrsinnigen Gedanken wollen sie Jura lehren?“ – „Und die unterbezahlte Mitarbeiterin des Pflegedienstes klappert die Leute dann mit dem Lastenfahrrad ab?“ Darauf entgegnete der Professor, dass diese die Kosten ja „nicht selbst bezahlen“ müsse. Klar, ihr privater Pflegedienst trägt bestimmt Kosten von 100 Euro Spritpreis pro Kilometer!

Das erinnert an den Vorschlag eines Regensburger Professors vor einiger Zeit. Der war auf die Idee gekommen, dass es doch toll wäre, Rentnern die Mieten stark zu erhöhen, um sie damit aus ihren großen Wohnungen zu ekeln. Als ob diese schuld seien an der Wohnungsmisere. Da könnte ich mich als Prä-Senior drüber aufregen, bis ich vom Küchenstuhl kippe. Aber vielleicht ist so was ja gewollt.

„Oder nimm mal die Zukunftsforscher. Die liejen ja ooch ständig daneben“, sagt mein innerer Berliner. Ich weiß. Da ist zum Beispiel dieser eine, der 2001 vorhersagte, dass das Internet kein Massenmedium werde, weil es zu kompliziert sei. 2010 erklärte er: Soziale Netzwerke wie Facebook seien „heute schon weit über ihren Hype hinaus“. Sie seien „zeitfressende Maschinen“ und würden bald an Bedeutung verlieren. Okay, Apps wie Insta, TikTok und so setzten sich erst etwas später durch. Aber man kann durchaus sagen, dass sie heute die Zeit ganzer Generationen fast rund um die Uhr auffressen. Das Gegenteil ist also eingetreten.

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen

Doch genau das ist das Problem von Zukunftsforschern. Sie müssen etwas voraussehen, was im Grunde niemand voraussehen kann. Oder um es mit einem beliebten Spruch zu sagen, der verschiedenen Leuten zugeschrieben wird: „Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“

Gut, ich bin auch etwas ungerecht. Es gibt ja noch so viele andere Wissenschaftler in Berlin und anderswo. Mit vielen tollen Forschungen. Wenn es die nicht gäbe, wäre ich hier schon längst arbeitslos. Aber es drängt sie nicht so in die Öffentlichkeit wie die paar „Professas“, die aus ihrem hohen Elfenbeinturm die Realität nicht sehen. Oder einfach nur provozieren wollen.

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