Fast könnte man meinen, ganz Deutschland warte sehnsüchtig auf Sahra Wagenknechts Partei. Journalisten und Politikwissenschaftler zeigen sich elektrisiert von der Vorstellung, sie rette unsere Demokratie vor der AfD. „Machen Sie es, Frau Wagenknecht!“, rief ihr der „Spiegel“ aufmunternd zu. „Die Zeit“ widmete ihr einen romantischen Titel. Und die „Bild am Sonntag“ versuchte der unentschlossenen Politikerin bei der Entscheidung zu helfen, indem sie die Parteigründung in großen Lettern schon für „beschlossen“ erklärte, nebst süßem Jugendfoto, mit Schultüte und Brautschleier.
Beschlossen allerdings ist gar nichts. Wagenknecht dementierte halbherzig und genoss ihr munteres Spiel aus Gerüchten und Spekulationen, auf das sich so viele bereitwillig einlassen. 20, 25 oder gar 30 Prozent könnte eine Wagenknecht-Partei erreichen, heißt es in Umfragen, die wie harte News verkauft werden. Der Todesstoß für die AfD, jubeln Kommentatoren.
Doch so einfach ist es nicht. Das Potential einer Partei sagt nichts über ihre tatsächlichen Erfolgsaussichten aus. Auch der Linken wurde kürzlich ein Potential von 18 Prozent bescheinigt, bei Wahlergebnissen von drei Prozent. Mit noch größerer Vorsicht sind Umfragen zu genießen, die nach einer Partei fragen, die es gar nicht gibt. Das ist das eine.
Das andere: Selbst wenn eine Wagenknecht-Partei kurzfristig Erfolg haben sollte, wäre dies noch lange nicht das Ende der AfD. In etlichen Nachbarländern sieht man, was passiert, wenn alte Parteien zersplittern und immer neue entstehen. Die Ränder kannibalisieren sich dann nicht automatisch gegenseitig. Sie machen es vielmehr den Parteien der Mitte schwer. Wenn Rechts- und Linkspopulisten sich gegenseitig befeuern, dringt kein seriöser Politiker mehr durch.
Die Kärrnerarbeit dürfen andere machen, sie selbst kommentiert das Ganze dann vom Talkshowsessel aus
In Thüringen freut sich die AfD deshalb schon auf eine Wagenknecht-Partei. Stefan Möller, der dort mit Björn Höcke den Landesverband führt, nähme Einbußen bei den eigenen Wählerstimmen gerne in Kauf für eine „Mehrheit jenseits des bisherigen Regierungsparteienkartells“. Es ist reines Wunschdenken, dass Wagenknecht bei der nächsten Landtagswahl den Rechtsextremisten Höcke erledigt. Wahrscheinlicher ist, dass sie Bodo Ramelow zu Fall bringt, den letzten erfolgreichen Landespolitiker der Linken. Und dass Regierungsbildungen noch schwieriger werden.
Während Ramelow und seine verzweifelten Genossen den Niedergang der Linken verwalten, spricht Wagenknecht von Werten wie „Anstand“ und „Fleiß“, im Gegensatz zum „Ausnutzen staatlicher Leistungen“. Sie selbst nutzt dabei geschickt die staatlichen Privilegien einer Bundestagsabgeordneten, ohne deren Pflichten ernst zu nehmen. Die fleißige Facharbeit in Ausschüssen überlässt sie anderen und pflegt stattdessen ihren Youtube-Kanal. Von dort schießt sie, nicht sehr anständig, gegen jene Partei, der sie selbst nach wie vor angehört.
Zerstören ist einfach, etwas Neues aufbauen schwer. Strukturen schaffen, Landesverbände aufbauen, „das werde ich nicht leisten können“, sagte Wagenknecht gerade wieder. Aber „für unsere Positionen werben – das kann ich!“. Mit andern Worten: Die Kärrnerarbeit dürfen andere machen, sie selbst kommentiert das Ganze dann vom Talkshowsessel aus. Fast könnte man sie für eine jener „Lifestyle-Linken“ halten, auf die sie so gerne schimpft. Die AfD jedenfalls erledigt man so nicht. Dafür braucht es mehr als einen Medienhype.
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