Tennis: Coco Gauff gewinnt das US-Open-Finale gegen Aryna Sabalenka – Sport

Dieser sechste von letztendlich 157 Ballwechseln in diesem Frauenfinale zwischen Aryna Sabalenka und Coco Gauff: Er setzte den Ton für das, was danach kommen sollte, wie dieser eine Akkord am Ende der Ouvertüre eines Konzerts. Sabalenka spielte den Ballwechsel so, wie sie das Finale zu gestalten versuchte, wie sie all ihre Partien zu gestalten versucht: mit heftigen Paukenschlägen, jeder Schlag von der Grundlinie ein wuchtiges, aber auch präzises “Bumm”.

Es machte also “Bumm” und “Bumm” und “Bumm” – und weil das New Yorker Publikum von diesem Rhythmus total überrumpelt wurde, war erst einmal nichts anderes in der größten Tennisarena der Welt zu hören. Sabalenka rückte vor ans Netz, um nach den Paukenschlägen den Tusch zu setzen; doch hatte Gauff daran kein Interesse. Sie ist eine Meisterin in der Kunst, dieses Bumm-Bumm-Bumm der Gegnerinnen über ihre Fitness und Technik abzuwehren – und irgendwann eine eigene Note zu setzen. In diesem Fall war es ein Lob auf die Rückhand von Sabalenka, zu deren Tugenden nicht unbedingt ein feines Händchen zählt; es machte: “Pläng”, wie bei einer völlig verstimmten Gitarre, der Ball segelte ins Netz. Punkt für Gauff.

Das Publikum johlte, genau deshalb war es ja gekommen: Sie wollten sehen, wie die Amerikanerin aus dem Bumm-Bumm-Bumm der Gegnerin ein “Pläng” macht und dieses Finale, das zweite Grand-Slam-Endspiel ihrer Karriere nach den French Open 2022, für sich entscheidet – und sie waren wild entschlossen, ihr zu helfen. Die New Yorker sind bei den US Open seit jeher der festen Überzeugung, Akteuren per Brüllkraft zum Sieg zu verhelfen, und am liebsten helfen sie Landsleuten und Gegnern von Daniil Medwedew, zu dem sie eine gar wunderbare Hassliebe pflegen – also: Sie lieben es, ihn zu hassen.

Sabalenka war kolossal genervt davon, wie diese Partie begann – und davon, dass das Publikum gegen sie war

Zurück zum Frauenfinale: Beim 30. Ballwechsel, Gauff musste bei 2:2 einen Breakball abwehren, gab es exakt das gleiche Bild: Bumm, Bumm, Bumm, Sabalenka stürmte ans Netz. Abwehr Gauff auf deren Rückhand: Pläng. Die Leute eskalierten, Sabalenka war kolossal genervt davon, wie diese Partie begann – wann immer sie danach einen spektakulären Punkt machte, wedelte sie mit dem rechten Arm als Botschaft ans Publikum: Ach, und da rastet ihr nicht aus? Bei eigenen Spielgewinnen, wenn die Leute vor Schock ganz ruhig waren, brüllte sie “Let’s gooooooooo!” Im zweiten Satz beantwortete sie einen Lob von Gauff, der den Lärm sogleich zu Flugzeug-Start-Lautstärke schwelen ließ, mit einem eigenem Lob – und ließ es damit so ruhig werden, dass man hörte, wie sie aus Erleichterung darüber ihren Schläger fallen ließ.

Das war also der Ton bei der Frage, ob dieser Samstag den “Summer of Coco” (nach Turniersiegen in Washington und Cincinnati) vollenden würde – oder das Jahr von Aryna: Sieg bei den Australien Open, jeweils Halbfinale in Paris und Wimbledon; Aufstieg zur Nummer eins der Welt bei den US Open, von Montag an wird es offiziell sein, trotz der Niederlage im Finale.

Kurze Antwort: Es ist der Sommer von Coco, sie gewann 2:6, 6:3, 6:2, den Tiffany’s-Pokal und drei Millionen Dollar Preisgeld. “Danke, dass du dafür gekämpft hast”, sagte sie bei der Scheck-Übergabe zu Billie Jean King; vor exakt 50 Jahren waren die US Open die erste Sportveranstaltung, die Männern und Frauen das gleiche Preisgeld zahlt – und bis heute tut.

Gauff gewinnt die US Open: ... und bricht in Tränen der Erleichterung aus.

… und bricht in Tränen der Erleichterung aus.

(Foto: Manu Fernandez/AP)

Die längere Antwort: Es war Gauff, die im Laufe der Partie immer ruhiger wurde, sich nicht ablenken ließ von den Rufen der Zuschauer; von Promis wie Nicole Kidman, Shonda Rhimes, Charlize Theron und Dauergast Jimmy Butler (der am Kids’ Day vor dem Turnier den Balljungen gab); von den Blitzen draußen, die durch das geschlossene Dach zu sehen waren. Es schien, und das zeigte auch ihr Blick zwischen den Ballwechseln, als würde sie zu ihrem ganz persönlichen Rhythmus über den Platz laufen. Auch Ratschläge der Trainer Brad Gilbert und Pere Riba wollte sie nicht mehr; sie winkte ab und sagte: “Stop it!” Hört auf damit!

Es war letztlich die Frage: Wie viele Angriff von Sabalenka, wie viele krachende Aufschläge, donnernde Vorhände und wütende Schmetterbälle würde Gauff abwehren können, bis die Gegnerin einen Fehler macht oder sie selbst einen Konter-Gewinnschlag würde setzen können? Die Antwort im ersten Satz: nicht genug. Im zweiten: deutlich mehr – und sollte nun jemand denken: Beinhaltet ein Match mit diesem Rhythmus nicht unfassliche Ballwechsel? Ja, tut es, und die wurden im dritten Satz noch unfasslicher, weil sich beide nicht von der Dramatik vereinnahmen ließen und spielerisch nochmals zulegten – aber irgendwann war klar: Das war der Tag von Gauff- die gegen Ende selbst oft “Bumm” schaffte.

Man könnte auch mal fragen: Was ist das für ein Mensch, der so mit diesem Druck umgeht?

Gauff war am Ende die Abgeklärtere gegen die sechs Jahre ältere Sabalenka; statistisch sieht das so aus: Sabalenka schaffte zwölf Gewinnschläge mehr (25:13), wurde von Gauff aber zu 27 mehr leichten Fehlern (19:46) gezwungen.

Man vergisst bei Gauff oft, weil sie mit 15 zum ersten Mal für Furore gesorgt hatte bei den US Open, dass sie erst 19 Jahre alt ist – auch deshalb, weil sie mit diesem Rummel routiniert umgeht und dennoch authentisch und locker bleibt; sie sagte etwa über Klima-Proteste während des Halbfinals: “Will ich, dass so was während meiner Partien passiert? Nein, weil ich ein Momentum hatte, ich will da nicht lügen. Ich bin aber der Meinung, dass friedlicher Protest, und das war es, erlaubt ist.”

Gauff gewinnt die US Open: Ihre Gegnerin Aryna Sabalenka wird trotz ihrer Niederlage von Montag an als Weltranglisten-Erste geführt.

Ihre Gegnerin Aryna Sabalenka wird trotz ihrer Niederlage von Montag an als Weltranglisten-Erste geführt.

(Foto: Angela Weiss/AFP)

Man fragt bisweilen: Was muss das für ein Druck sein, der auf Gauff lastet? Man könnte auch mal fragen: Was ist das für ein Mensch, der so mit diesem Druck umgeht? Die das Versprechen, das meist andere für sie abgegeben haben, in der größten Tennisarena der Welt derart souverän und spielerisch diszipliniert einlöst?

Die Antwort gab Gauff am Samstag selbst: Als alles vorbei war und klar, dass dies der Sommer von Coco ist, rannte sie erst zu ihrer Gegnerin, um sie zu umarmen, und dann: “Wollte ich meinen Bruder anrufen – doch er ging nicht ran. Als er zurückrief, ging die Siegerehrung schon los; ich muss ihn also gleich nochmal anrufen.”

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