Wie eine Schauspielerin nach fast 40 Jahren für ein faires Honorar kämpft

Jessika Cardinahls erste Begegnung mit Otto erinnert an eine Szene aus einer Verwechslungskomödie. Die Neunzehnjährige, die während ihrer Ausbildung zur Grafikdesignerin auch bei der Parker-Sed Model Agency in Hamburg unter Vertrag stand, wähnte sich 1984 bei einem Casting für den Katalog des Versandhauses Otto, als plötzlich Otto Waalkes vor ihr stand. Der Komiker aus Ostfriesland zählte damals zu den bekanntesten Gesichtern der deutschen Unterhaltungsbranche. Sendungen wie „So ein Otto“ und “„Hilfe, Otto kommt“ sowie Schallplatten mit Sketchen zwischen Klamauk und Parodie waren Quotenhits. „Otto erzählte, jetzt auch einen Film zu planen. Ich war eine von 20 Kandidatinnen für die weibliche Hauptrolle“, erinnert sich Cardinahl. „Ich dachte, das wird auch für mich ein Spurwechsel, ein großes Abenteuer.“

Die Mischung aus Überraschung und Euphorie merkt man ihr an diesem Sommertag, fast vier Jahrzehnte später, immer noch an. Für ein Treffen im kalifornischen Küstenort Santa Monica hat sich Cardinahl gut drei Stunden zuvor in Santa Barbara, wo sie seit einigen Jahren wohnt, ins Auto gesetzt. Inmitten der Yoga-Mütter, die sich nach dem morgendlichen school run mit dem Nachwuchs und vor den nächsten Asanas im „Caffe Luxxe“ an der Montana Avenue noch zu einem Hibiskustee treffen, fällt sie sofort auf: hochgewachsen, ohne Make-up oder Botox und in einem für diese Breiten ungewohnt europäischen Trenchcoat.

Fast 15 Millionen Kinobesucher

Ihr Aussehen, sagt Cardinahl, verhalf ihr auch zu dem Part in „Otto – Der Film“. Der war mit fast 15 Millionen Kinobesuchern in Deutschland Ost und West einer der bis heute erfolgreichsten deutschen Nachkriegsfilme. „Nach einer kurzen Probeszene bekam ich die Rolle neben einem der größten Komiker Deutschlands“, sagt Cardinahl. „Natürlich war ich begeistert.“ Sie nahm ihren Abschied bei Parker-Sed und ließ sich von Alex Grob, dem Manager ihres damaligen Lebensgefährten Al Corley, vertreten. Den amerikanischen Schauspieler (der blonde Steven Carrington aus der Serie „Der Denver-Clan“) hatte Cardinahl in einer Hamburger Bar kennengelernt.

An die Wochen nach der Begegnung mit Otto und dem Angebot für ihre erste Filmrolle erinnert sich die Achtundfünfzigjährige eher bruchstückhaft. „Als Rialto den Vertrag schickte, meinte Alex, er sei in Ordnung. Ich unterschrieb.“ Es folgten drei Monate Dreharbeiten in Berlin mit ihr als Aristokratentochter Silvia, die von Otto gerettet wird, später mit ihm einen Flugzeugabsturz übersteht und sich schließlich in ihn verliebt.

Der Gedanke an die Arbeit am Set und an die von Ottos Späßen begleiteten Abendessen der Filmcrew lässt die Hamburgerin auch heute noch lächeln. Bei der Frage nach dem Honorar, das sie bekam, macht sich eine Spur Bitterkeit breit. „Die 20.000 Mark fühlten sich schon damals nicht üppig an“, sagt Cardinahl. Sie sah die Rolle aber als Investition in eine Karriere vor der Kamera. Schließlich habe Horst Wendlandt, damals Chef der Rialto und als Produzent der „Winnetou“-Filme ein Königsmacher des deutschen Films, auch angeboten, für ihre Schauspielausbildung aufzukommen. „Als ich nach den Dreharbeiten schwanger wurde, zog er das Angebot plötzlich zurück“, sagt Cardinahl über den im Sommer 2002 verstorbenen Produzenten.

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