„Wir geben nicht auf, bis wir dich finden“

Man kennt ihr Gesicht aus den Vermisstenanzeigen, die auf Laternenpfählen in der ganzen Stadt hängen oder im Social-Media-Feed erscheinen: Die Mexikanerin Maria Fernanda Sanchez wurde seit Sonnabend, 22. Juli, nicht mehr gesehen. Sie soll ihre Wohnung in Berlin-Adlershof an dem Tag verlassen haben und nicht mehr dorthin zurückgekehrt sein. Seitdem hatte niemand aus ihrer Familie oder ihrem Freundeskreis Kontakt mit ihr.

Neben der Polizei sind auch Marias Freundinnen und Freunde in Berlin mit der Suche beschäftigt. Antonia Angel, 26, hat Maria im März diesen Jahres kennengelernt. Sie sind Kommilitoninnen im Masterprogramm für New Media Design an der University of Europe for Applied Sciences. „Es gibt in unserem Kurs viele internationale Studierende, die hier getrennt von ihren Familien leben“, sagte Angel der Berliner Zeitung. „Wir wurden also gegenseitig zur Wahlfamilie.“ Die Freundschaft ist noch nicht alt, aber intensiv, sagt Antonia Angel.

Am Freitagabend gingen Maria und Antonia zusammen mit anderen aus ihrem Freundeskreis feiern, im Club Lido im Wrangelkiez. „Es war eine tolle Zeit, wir hatten viel Spaß“, so Antonia. „Wir fühlten uns alle sicher und alles schien in Ordnung zu sein.“ Am nächsten Tag wollte die Gruppe sich wieder treffen, um sich der Demonstration zum Christopher Street Day anzuschließen. „Gegen 16 Uhr hat Maff uns aber geschrieben, dass sie zu viele Aufgaben zu erledigen hat und es nicht schafft“, sagt Antonia. So nennen ihre Freunde Maria, Maff oder Maffy. Auf Instagram werden Infos zu ihrem Verschwinden, Hilferufe und ein Vermisstenflugblatt, das Unterstützer selbst ausdrucken können, unter @find_maffy_berlin geteilt.

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Große Unterstützung aus der lateinamerikanischen Community in Berlin

Später am Samstagabend, gegen 21 Uhr, habe Maria eine SMS an ihren Vater und einen Freund geschickt. Aber seitdem herrscht Funkstille – niemand hat sie gesehen oder Kontakt zu ihr gehabt. Marias Familie sei am Boden zerstört, sagt Antonia; einige Verwandte seien nun in Berlin eingetroffen, um bei der Suche mitzumachen und mit der Polizei besser zu koordinieren. Andere Verwandte bleiben noch in Mexiko und leisten von dort aus ihren Beitrag; die Geschichte sei bereits groß in den sozialen Medien und den mexikanischen Medien präsent. Auch in Berlin und ganz Deutschland hätten Frauenkollektive sowie Restaurants und Bürgervereine für die mexikanische und lateinamerikanische Community vieles getan, um Informationen über Maria zu verbreiten – außerhalb der Community sei die Unterstützung aber deutlich weniger umfangreich gewesen.

Dieses Bild von Maria Fernanda Sanchez hat die Polizei geteilt.

Dieses Bild von Maria Fernanda Sanchez hat die Polizei geteilt.Polizei Berlin

Antonia Angel spricht mit der Berliner Zeitung in der Nähe von Marias Wohnung in Adlershof, wo sich am Donnerstag mehr als 100 Menschen trafen, um in nahe gelegenen Parks, Wäldern, Seen und Gewässern nach ihr zu suchen. Maria ging gerne in die Natur, wenn sie sich überfordert fühlte, sagt Antonia. Die Polizei hatte mitgeteilt, die 24-Jährige könne sich in einer „psychischen Ausnahmesituation“ befinden. „Wir haben aber nichts Ungewöhnliches bei ihr gemerkt“, so Antonia. „Da steht für uns alle ein großes Fragezeichen.“ Sie spricht von ihrer „außerordentlich künstlerisch begabten“ Freundin, die gerne singt und Yoga macht und an diesem Freitag ihre Arbeit aus ihrem Studium in einer Ausstellung zum Semesterende zeigen sollte. Diese Ausstellung wurde nun abgesagt. „Und sie hat so ein schönes, breites Lächeln, das man nicht so oft sieht“, sagt Antonia.

Angaben zur vermissten Maria

23 bis 25 Jahre alt
150 bis 155 cm groß
schlanke Figur
hat langes, dunkles Haar

Trotz der vielen Beiträge im Internet über Maria und der Vermisstenplakate habe es bisher keine großen Hinweise oder Entwicklungen bei der Suche nach Maria gegeben, so Antonia. Einige Bewohner des großen Studentenwohnheims, in dem Maria lebt, hätten Hinweise darauf gegeben, dass sie in der Nacht, in der sie zum letzten Mal gesehen wurde, unbekannte Personen auf dem Campus gesehen hätten – diese Hinweise hätten aber nicht zu gezielten Ermittlungen geführt. Antonia Angel bittet alle Berliner, nach ihrer Freundin Ausschau zu halten, insbesondere wenn sie in der Nähe von Parks, Wäldern oder anderen Naturgebieten wohnen. Sie erwähnt Marias Tätowierungen, die bei der Identifizierung hilfreich sein könnten: drei Blumen-Embleme auf dem linken Bizeps, dem rechten Oberarm und dem rechten Handgelenk.

So sieht Marias Blumentätowierung am rechten Handgelenk aus.

So sieht Marias Blumentätowierung am rechten Handgelenk aus.Privat

Am linken Bizep trägt Maria eine weitere Tätowierung.

Am linken Bizep trägt Maria eine weitere Tätowierung.Privat

Marias Familie sei nun in engem Kontakt mit der Berliner Polizei, sagt Antonia. Aber am Anfang, als die Familie noch in Mexiko war, mit einem Zeitunterschied von acht Stunden, lag es an ihr und anderen Freundinnen von Maria, mit der Polizei zu dem Fall zu kommunizieren. Dabei haben sie nicht immer gute Erfahrungen gemacht, sagt Angel. „Sie waren etwas feindselig – vielleicht weil wir nur Studentinnen in unseren Zwanzigern sind oder weil wir kein Deutsch können.“ Polizeibeamte sollen sich geweigert haben, den Frauen zuzuhören oder sogar Anrufe von ihnen anzunehmen. „Das liegt vielleicht auch daran, weil wir keine Familienmitglieder waren“, so Antonia Angel. „Aber die Familie war nicht hier, in Berlin, wir schon.“ Die Polizei Berlin hat bisher nicht auf eine Bitte der Berliner Zeitung um Stellungnahme reagiert.

BVG-Mitarbeiter sollen Vermisstenplakate für Maria abgenommen haben

Antonia Angel zeigt sich auch verärgert über die BVG, deren Mitarbeiter Vermisstenanzeigen, die Marias Freunde auf ihre eigenen Kosten druckten und in U- und S-Bahnhöfen durch ganz Berlin aufhängten, abgenommen haben sollen. In einem Fall habe ein Freund einen Mitarbeiter dabei ertappt, wie er die Plakate abnahm. Der Mitarbeiter habe erklärt, es sei die Politik der BVG, nur offizielle polizeiliche Vermisstenblätter in ihren Bahnhöfen aufzuhängen. Auch habe die BVG weder in den sozialen Medien noch in ihren Zügen oder Bahnhöfen auf die Suche nach Maria aufmerksam gemacht.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung teilt ein Sprecher der BVG mit, Suchaushänge werden „in Absprache mit der Polizei und auf deren Wunsch“ auf dafür nutzbaren Flächen gemacht, auch die Social-Media-Kanäle seien schon für polizeiliche Suchanfragen genutzt worden. Aber „wildes“ Plakatieren ohne Absprache und Genehmigung in den Stationen sei grundsätzlich verboten.

„Das war emotional sehr hart für uns, weil wir Hunderte Euro, etwa die Hälfte unserer Monatsmiete, für diese Flugblätter ausgegeben hatten“, sagt Antonia Angel. Aber sie und Marias andere Freunde in Berlin machen weiter – in den sozialen Medien sowie mit weiteren Flugblättern wollen sie dafür sorgen, dass das Gesicht ihrer Freundin nicht in Vergessenheit gerät. Als Letztes möchte Antonia ihrer Freundin Maff noch etwas ausrichten: „Wir haben dich so lieb, unsere Liebe für dich ist endlos. Und wir geben nicht auf, bis wir dich finden.“

Hinweise nimmt die Vermisstenstelle des Landeskriminalamtes in der Keithstraße 30 in 10787 Berlin-Tiergarten unter der Telefonnummer (030) 4664-912444 oder per E-Mail an [email protected] entgegen.


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